Nachhilfe-Tipps bei ADHS
6. Juni 2024
Wie man mit betroffenen Kindern zusammen lernen kann
Geben Sie Kindern, die von einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) betroffen sind, Nachhilfe oder lernen Sie ab und zu mit ihnen zuhause? Dann kennen Sie vielleicht diese Situation: Sie müssen vom Kind ein Verhalten einfordern, was ihm aufgrund der ADHS oft schwer fällt – still sitzen, konzentriert arbeiten oder aufmerksam zuhören. Weil das nicht klappt, reagieren Sie als Lehrende(r) gereizt oder verlieren die Geduld. Das Lernen wird für beide Seiten anstrengend und nervenaufreibend.
Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, haben wir hierzu ein paar wertvolle Tipps für Sie: So können Sie in Zukunft besser mit solchen Situationen umgehen und die Lernatmosphäre bleibt harmonisch.
Zappeln und Bewegung hilft!
Man denkt vermutlich zuerst, dass sich Kinder gar nicht konzentrieren können, wenn sie ständig am Zappeln sind. Das stimmt auch – trifft jedoch nicht auf Kinder mit ADHS zu, wie Studien zuletzt belegten. Professor Mark D. Rapport von der University of Central Florida fand heraus, dass Bewegung Betroffenen helfen kann, ihre Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten. Das heißt: Je mehr Kinder mit ADHS zappeln dürfen, desto besser werden ihre Leistungen und Arbeitsergebnisse. Die Untersuchung zeigte auch, dass bei Kindern ohne ADHS das Gegenteil der Fall war: sie schnitten bei motorischer Unruhe schlechter ab.
Aber wie kann es sein, dass Zappeln Kindern mit ADHS zu besseren Leistungen verhilft? Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass betroffene Schüler:innen ihr Gehirn durch motorische Aktivität in einen wachen, angeregten Zustand versetzen und dadurch lern- und aufnahmefähiger sind. Auch die Sportwissenschaftlerinnen Susanne Ziereis und Prof. Dr. Petra Jansen von der Universität Regensburg sind in Kooperation mit einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu diesem Schluss gekommen: Bewegung verbessert die Aufmerksamkeit und Lernleistung von Kindern mit ADHS.
In dieser Studie wurde die Gedächtnisleistung von Kindern mit ADHS durch Sporteinsatz getestet und auch hier schnitten die Kinder, die Sport machten, besser ab als die Kontrollgruppe ohne Sporteinsatz. Es stellte sich außerdem heraus, dass die Art des Sports keinen Unterschied machte, sondern die Bewegung an sich entscheidend war
Worauf Nachhilfelehrer:innen achten sollten
„Sitz still!“ war gestern – heute weiß man, dass dies nicht zielführend ist. Den Bewegungsdrang zu unterdrücken und still zu sitzen, kostet betroffene Kinder viel Kraft, wodurch sie weniger Kapazitäten für das Lernen im Nachhilfeunterricht haben. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse sollten Sie betroffenen Schüler:innen auf jeden Fall Bewegung ermöglichen. Beispielsweise eignen sich Sitzbälle hervorragend, weil Kinder mit ADHS damit ihren Bewegungsdrang kanalisieren können. Auch Knetbälle und Wackelstühle können dafür genutzt werden. Eine noch einfachere Lösung ist Kaugummi kauen, was beim Kind Spannungen lösen und die Konzentrationsfähigkeit fördern kann.
Außerdem sollten Sie regelmäßige Bewegungspausen in Unterrichtseinheiten integrieren: Dadurch ist die Aufnahmefähigkeit für die folgenden Aufgaben sicherer. Zudem brauchen Kinder mit ADHS besonders viel Empathie. Geben Sie Ihrem/Ihrer Nachhilfeschüler:in das Gefühl, sie oder ihn besser verstehen zu wollen.
Fragen wie „Was tut dir gut?“ oder „Wie können wir den Nachhilfeunterricht für dich am besten gestalten?“ zeigen dem Kind, dass Sie Interesse zeigen und es nicht verurteilen. Oft beobachtet man dann, dass Schüler:innen entspannter werden und sich der Unterricht viel leichter für beide Beteiligten gestalten lässt. Denn Kinder mit ADHS haben oft ein angeschlagenes Selbstwertgefühl, das Sie als Nachhilfelehrer:in stärken sollten. Probieren Sie es aus!
Weitere Tipps für Nachhilfelehrer:innen
- Schaffen Sie eine möglichst reizarme Lernumgebung für den Nachhilfeunterricht. Beispielsweise griffbereites Spielzeug oder Medien lenken Schüler:innen mit ADHS schnell ab.
- Geben Sie dem/der Nachhilfeschüler:in am Anfang einer Nachhilfestunde eine Übersicht über das, was Sie heute mit ihm/ihr gemeinsam erreichen möchten und welche Themen Sie behandeln werden. Schüler:innen mit ADHS hilft es zu wissen, was sie erwartet. Visualisieren Sie diese Übersicht, wenn möglich. Zeitpläne und Checklisten können zudem helfen.
- Augenkontakt hilft Kindern mit ADHS oft dabei, konzentriert zu bleiben und sich nicht in Tagträumen zu verlieren. Versuchen Sie immer wieder, den Augenkontakt aufzunehmen und aufrechtzuerhalten. Dazu sollte das Kind Ihnen gegenüber oder neben Ihnen sitzen.
- Nutzen Sie, um die Nachhilfestunde zeitlich zu strukturieren, eine gut sichtbare Uhr, die das Kind sieht.
- Teilen Sie Aufgaben in kleine Einzelaufgaben und halten Sie die Dauer pro Aufgabe möglichst kurz.
- Helfen Sie dem Kind durch Markieren der Aufgabenstellung dabei, sich auf das Wichtigste zu fokussieren.
- Gestalten Sie den Nachhilfeunterricht möglichst abwechslungsreich, damit sich das Kind nicht langweilt: Sie können verschiedene Aufgabenarten und Schwierigkeitsgrade nutzen und Interessen des Kindes mit einbauen. Beispiel: Binden Sie in den Englischunterricht das Lieblingslied des Kindes mit ein oder in den Deutschunterricht das Lieblingsbuch. Seien Sie kreativ, humorvoll und spontan!
- Formulierungen sollten möglichst klar, handlungsorientiert und positiv sein. Das heißt: Das Kind muss genau wissen, was von ihm erwartet wird. Negative Ermahnungen führen meist zu nichts – positive Formulierungen schon.
- Fassen Sie am Ende der Nachhilfestunde zusammen, was alles gut gelaufen ist und wo Fortschritte gemacht wurden. Loben Sie Ihre Nachhilfeschüler:innen und ermutigen Sie sie dazu, ihre Lernerfolge in einer Art Tagebuch am Ende jeder Unterrichtsstunde zu notieren. Das stärkt das Selbstvertrauen des Lernenden und gibt ihm eine guten Überblick darüber, was bereits erreicht wurde.
- Halten Sie Kontakt zu den Eltern. Sie können von ihnen nötige Informationen über das Kind erhalten, um die Nachhilfe noch mehr nach den Bedürfnissen des Kindes auszurichten. Außerdem hilft es Eltern, wenn Sie sie über Fortschritte und Inhalte der Nachhilfe informieren.
- Setzen Sie sich nicht unter Druck. Sie können keine Wunder bewirken und diese auch nicht von betroffenen Schüler:innen erwarten. Sie müssen nicht alles schaffen und es ist völlig in Ordnung, in kleinen Schritten voranzukommen.
Was können Eltern tun?
Die oben genannten Tipps für Nachhilfelehrer:innen können selbstverständlich auch für Sie als Eltern eine Hilfe sein. Vor allem, wenn Sie regelmäßig mit Ihrem Kind zuhause die Hausaufgaben besprechen und lernen. Wichtig ist jedoch, dass Sie sich als Eltern nicht zu sehr belasten. Nachhilfe, wie der Studentenring Sie anbietet, kann eine große Entlastung für Eltern betroffener Kinder sein. Gerade sie müssen vermehrt darauf achten, ihre Batterien wieder aufzuladen – das kommt sowohl ihnen selbst als auch dem Kind zugute.
Klare Regeln und eine gute Eltern-Kind-Beziehung sind ebenfalls bei ADHS wichtig. Sie sollten Regeln genau definieren und konsequent umsetzen, da es Ihrem Kind schwerfallen kann, verzögerte Reaktionen auf Fehlverhalten richtig einzuordnen. Denken Sie jedoch auch daran, dass häufiges Loben für Kinder mit ADHS äußerst wichtig ist. Gemeinsame Ausflüge, Spielstunden und andere positive Erlebnisse fördern zudem die Beziehung zu Ihrem Kind.
Betroffene Kinder verknüpfen Schule oft mit der Angst vor dem Scheitern. Man kann ihnen im Nachhilfeunterricht durch Lernerfolge zeigen, dass sie eben nicht immer scheitern. Nachhilfelehrer:innen können so versuchen, das Kind auch pädagogisch wieder aufzubauen und ihm damit neues Selbstvertrauen geben.
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